Kleines Fahrzeug grosse Pläne - Tuning einer alten Vespa
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Lang, lang ist's her. Wir schreiben das Jahr 1992 oder so. Ethik ist langweilig und die Hausaufgaben für Geschichte habe ich
bereits irgendwo abgeschrieben.
Es gibt doch so viel wichtigere Dinge als die Fehlentscheidungen der Vergangenheit. Zum Beispiel die Gegenwart.
Obwohl keiner von uns einen Führerschein besitzt, hat mein Kumpel Chris sich einen Piaggio Vespa Motorroller mit Handschaltung gekauft.
Chris hatte schon immer genug Geld für verrückte Ideen und ich sollte ihm dabei helfen.
Obwohl ich noch nicht mal einen Fahrradschlauch wechseln konnte ohne den neuen Schlauch bei der Montage wieder zu beschädigen,
trauten wir es uns zu, den Zweitakt 50 ccm Motor seiner Vespa komplett zu zerlegen und zu tunen.
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Wer mit 15 Jahren legal nicht mal 50 km/h fahren darf, braucht doch mindestens ein Fahrzeug, das 100 km/h schafft.
Soweit unsere Logik. Gesagt getan. Gemeinsam schleppten wir die alte Vespa PK 50 auf den Balkon meines Kumpels in den zweiten Stock.
Zur grossen Freude seiner Mutter fingen wir sofort damit an, den Motorroller in seine Einzelteile zu zerlegen.
Schon bald glich der saubere Balkon einem Schrottplatz. Überall lagen ölige Teile herum ohne dass jemand von uns erklären konnte, woher sie kamen.
Auch hatten wir nicht den Hauch einer Ahnung, wohin wir all die verschiedenen Teile eines Tages wieder montieren sollten. Eine Werkstatt hatten wir auch nicht.
Langfristige Planung war jedoch nicht so unser Ding. Darum lagerten wir all die vielen Schrauben und Federn erst einmal in einem grossen Eimer zwischen.
Die Monate gingen ins Land. Wir mussten für einen Mathetest und später fürs Abi büffeln und wurden von vielen weiteren unwichtigen Dingen davon abgehalten,
das perfekte Fahrzeug zu bauen. In Gedanken brausten wir jedoch bereits frei durch die Welt.
Mein Kumpel kaufte einen Polini Zylinder mit 80 ccm samt Pleul, Kolben und Kolbenringe, eine Rennkurbelwelle, verstärkte Kupplungsfedern, einen grösseren Vergaser und viele andere Dinge.
Insgesamt investierte er mehr als 2000 Mark in den 300 Mark Roller.
Das es günstiger gewesen wäre sich gleich eine 125er zu kaufen, kam uns nicht in den Sinn.
Immerhin ist es doch viel cooler, eine selbst umgebaute Maschine zu fahren.
Wir nutzten jede Minute, um unser Projekt zu verwirklichen.
Die Lehrer schienen sich jedoch gegen uns verschworen zu haben.
Immer wieder mussten wir unsere wertvolle Freizeit opfern, um sinnlose Hausaufgaben zu erledigen.
Wen interessiert schon, was Goethe uns mit seinem Faust sagen wollte?
Er war vermutlich einfach ein charakter schwacher Alkoholiker , der im Suff irgendwelchen Schmarn geschrieben hat. Das durfte ich so aber nicht schreiben.
Unsere Vespa war jedoch Realität. Um aus einer Vespa PK eine noch kultigere Vespa 50N Spezial zu machen, ersteigerte mein Kumpel einen Rundlenker.
Das Chassi liess er sandstrahlen und in der Farbe einer Müllabfuhr orange lackieren. Meine Wahl wäre komplimentär dunkelblau gewesen.
Die Farbe ist jedoch nur ein unwichtiges Detail eines Fahrzeuges. Viel wichtiger sind die inneren Werte. Und die hatte der Vespa Roller.
Nachdem wir Jahre später das 3D Puzzle gelöst, die meisten Teile verbaut und die übrigen entsorgt hatten, sprang das Motorrad tatsächlich an, knurrte mächtig aus seinem auffälligen Bananenendtopf und erreichte die erhofften 100 km/h. Zwei Räder und ein Motor...was brauchen echte Biker mehr?
Alle Angaben ohne Gewähr. Sämtliche Handlungen sind frei erfunden. Ähnlichkeiten zu real existierenden Orten oder Personen sind rein zufällig ;)
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